Wenn Kerstin Oyczysk aus ihrem Arbeitsfenster im Uhrenhaus schaut, hat die Bauamtsleiterin das Geschehen gegenüber im Wiga-Haus im Blick. Seines Daches beraubt, die Fassade teilweise bis zur Hälfte abgetragen, ist an dem historischen Bau noch nicht viel von der Blumenhalle zu erkennen, mit der Prenzlau 2013 die Besucher zur Landesgartenschau (LAGA) locken will. Das stört die Prenzlauerin jedoch nicht. Sie weiß, welcher Anblick sich ihr zum Jahresende bieten wird: Die gelbe Klinkerfassade des denkmalgeschützten einstigen Arbeitshauses der Land-Armen und Korrigendenanstalt wird zur Hofseite durch eine Glasfront unterbrochen. Zur Seestraße hin bleibt der ursprüngliche Charakter. Dabei bleibt die denkmalgeschützte Gebäudehülle zu 75 Prozent erhalten. Im Inneren werden die Besucher von einer umlaufenden Empore im Obergeschoss auf die Ausstellungsflächen im Erdgeschoss schauen können, hinunter auf die Blütenpracht wechselnder Präsentationen. Darauf freut sie sich schon heute und wird sich dafür auch eine LAGA-Jahreskarte kaufen.
Doch vorerst heißt es für sie und die Projektverantwortliche Kerstin Stimm, den auf 3,8 Millionen Euro veranschlagten Umbau in der geplanten Zeitschiene durchzuziehen. „Ende 2012 wollen wir mit dem Umbau fertig sein, damit die Vorbereitungen für die LAGA beginnen können“, sagen die Frauen. Der Hauptauftragnehmer Bauhof Haßleben nutzt jeden Tag des baufreundlichen Winterwetters. In dieser Woche werden die ersten der 28 Fundamente für 14 Rahmen, die das innere Traggerüst bilden, auf den bereits gegossenen Fundamenten montiert. Die einzelnen Teile mit dem speziellen Korrisionsschutz stehen bereit. Auch dazu wird der Kran gebraucht. Der hatte sich Mitte Oktober zu den anderen einarmigen Riesen gesellt, die seit Monaten zwischen Marktberg und Bahnhof die Prenzlauer Skyline beherrschen. Insgesamt 3,895 Millionen Euro muss Prenzlau für den Umbau des zu DDR-Zeiten als HO-Verwaltungshaus genutzten Gebäudes aufbringen. Unterstützt aus dem Stadtumbau-Programm von Bund und Land sowie EU-Mitteln über das Potsdamer Bildungsministerium sind dennoch über 1,6 Millionen Euro aus dem Stadtsäckel zu tragen.
Doch es lohnt sich. Denn zum einen wird so ein Teil der historischen Korrigendenanstalt-Anlage rekonstruiert. Mit der Diesterweg-Grundschule, der Stadtverwaltung und dem Uhrenhaus auf dem Grundstück erzählen die Gebäude aus der Mitte des 19. Jahrhunderts ein Stück Stadtgeschichte. Zum anderen steht mit dem städtischen Gymnasium auch der neue Nutzer fest. „Im Oktober 2013 beginnt die zweite Ausbaustufe des Wiga-Hauses, in dem Fachkabinette, Musik- und Kunsträume sowie eine Aula einziehen werden“, schaut die Bauamtsleiterin voraus. Vom Architekturbüro Beckert & Stoffregen betreut, geht der Bau zügig voran. Steht die Rahmenkonstruktion, werden Spannbetondecken zwischen den Geschossen eingezogen. Sind die Versorgungsleitungen im Erdgeschoss gelegt, hoffen alle auf weitere frostfreie Tage, um die Bodenplatte gießen zu können. Denn noch arbeiten alle in einem Haus ohne Dach, zieht der Bauhof die Fassade teilweise neu hoch. Auch in dem Anbau zur Seeseite hin liegt noch ein ganzer Packen Arbeit bereit. Dort werden Sanitärräume und ein Aufzug installiert. Überraschungen wie einen doppelten Fußboden oder den Pilzbefall in der Trennwand des Anbaus erwartet jetzt niemand mehr.
Zuversichtlich wirft Kerstin Oyczysk einen Blick aus dem Fenster und gibt ein großes Dankeschön in Richtung Grundschule weiter. „Ohne das große Verständnis von Schulleiterin Carmen Gehrmann und ihrem Team für die zahlreichen Einschränkungen wäre vieles so nicht möglich gewesen.“
Quelle: Nordkurier